Intersektionalität am Weg
Gendertheorien sind laufend in Bewegung, stellen sich in Abhängigkeit von den Gleichstellungsthemen der jeweiligen Zeit dar, sie kritisieren sich gegenseitig, bauen aufeinander auf und reagieren auf kulturelle Erfordernisse.
Waren es in den 1970er und 1980er Jahren die Gleichheits- und die Differenztheorien, hat sich später die (De)Konstruktion durchgesetzt, welche wiederum eine Basis für die aktuell stark verbreiteten Intersektionalitäts-Theorien darstellt.
Intersektionalität ist ein Konzept, das Ende der 1980er Jahre in den USA entstanden ist, der Name Kimberlé Crenshaw ist mit dessen Entstehungsgeschichte untrennbar verbunden. Es waren Schwarze Feministinnen, die ihre weißen Kolleginnen dafür kritisierten, dass sie sich anmaßten, für sie zu sprechen, denn ihre Kontexte unterscheiden sich deutlich von denen der weißen Frauen. Sie sind nicht nur von Geschlechterdiskriminierungen betroffen, sondern auch von den ethnischen Diskriminierungen, die sich an der Hautfarbe festmachen lassen: Sexismus trifft Rassismus. Intersektionalitäts-Theorien gehen davon aus, dass strukturgebende Kategorien wie Geschlecht oder Ethnie nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern in ihrer Verwobenheit miteinander analysiert werden müssen.
Stereotype Vorstellungen von Männern* und Frauen*, was deren Einstellungen, Verhaltensweisen, Interessen oder Kompetenzen betrifft und die damit verbundenen Hierarchisierungen und sozialen Machtaspekte, stehen also in einer Wechselwirkung mit ebenso weitgehend unhinterfragten Vorstellungen über weitere Diversitätsfaktoren. Sexismus und Rassismus trifft somit auch sozialen Status, Religion, Bildung, sexuelle Orientierung, Behinderung oder Alter. Kimberlé Crenshaw bietet dafür die Metapher einer Kreuzung „Intersection“ an, in deren Mitte marginalisierte Gruppen zu denken sind, auf die Diskrimierungen (Unfälle) aus mehreren oder allen Straßenrichtungen gleichzeitig treffen können. Diskriminierungsformen von Geschlecht und Alter gepaart mit Religion beispielsweise können dabei nicht einzeln gedacht werden, sondern beeinflussen sich gegenseitig, potenzieren sich und das bedeutet auch, dass so neue Formen von Diskriminierung entstehen können.
Das scheint alles sehr logisch, aber gleichzeitig auch schwer zu fassen. Wann und wo treten derartige mit Machtunterschieden und Hierarchisierungen verbundene Formen von Diskriminierungen auf? Was bedeuten diese Mehrfachdiskriminierungen für die Betroffenen? Wie kann damit umgegangen werden? Diese Fragen stellen jedenfalls ein breites Handlungsfeld für eine Intersektionalitäts-orientierte Forschung dar.
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Helma Lutz, María Teresa Herrera Vivar, Linda Supik (2013). Fokus Intersektionalität: Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes. Springer VS: Wiesbadenhttps://doi.org/10.1007/978-3-531-19550-6
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